44 Jahre lang pilgerte halb Berlin in die Villa in der Kurfürstenstraße. Nun schließt sie bis auf Weiteres. Stammgäste werden heimatlos. Letzte Tage im Café Einstein. (T+)
Das Café Einstein, die legendäre Apfelstrudel-Villa hinter dem Strich in der Kurfürstenstraße, führt eine Liste mit Stammgästen. „Gerhard Walter hat die 001“, sagt der Restaurantleiter. Nicht etwa bloß weil Walter schon 1978 auf der Eröffnungsfeier gewesen ist, die schließlich „knallvoll mit Künstlern“ war. Sondern weil er fortan jahrelang täglich vorbeikam, bis er quasi zum Mobiliar gehörte.
„Bis Ende des Jahres müssen wir raus“, sagt der Geschäftsführer Philipp Hasse-Pratje. Undenkbar, sagen Gäste, die zum ersten Mal davon hören. Als könne etwas, das sich anfühlt, als sei es immer schon da gewesen, unmöglich verschwinden. Es handelt sich doch um einen Fixstern Berlins. Das Café Einstein konnte sich in den 80er Jahren unwidersprochen „das wichtigste Café Deutschlands“ nennen.
„Ihr braucht was Zeitloses“, sagt er. Und: „Wie wäre es mit: EinStein?“ Niemals jedoch, das betonte er schon damals am Mehringdamm Ecke Hagelberger, dürft ihr den Albert mit ins Spiel bringen: „Es geht nicht um den Mann mit der Zunge!“ Denn dann wäre es aus, die ganze Ambivalenz dahin. „Es darf nie der Albert auftauchen, sonst seid ihr ins Fettnäpfchen getreten!“ Und so hielten sie es.EinStein. Es hatte etwas Rätselhaftes, auch Dadaistisches.
Das Mobiliar hat im Moment noch das fragile Gleichgewicht von Dingen, die alle zugleich in die Jahre gekommen sind. Würde man anfangen, Einzelnes zu ersetzen, sähe plötzlich der Rest schäbig aus, sagt Hasse-Pratje. Schon jetzt erhalte er manchmal Beschwerden von Gästen, die zwar ohne mit der Wimper zu zucken fünf Euro für einen Cappuccino zahlen, dann aber erwarten, dass der Rest des Ambientes nicht auseinanderfällt.
in der Kantstraße, diesem zweiten gesellschaftlich unersetzlichen Ort von West-Berlin. Bloß nicht wie Würthle werden, der dem Ort die schillernde Seele erst durch seine Anwesenheit verlieh.Hasse-Pratje aus Bad Pyrmont hat an der WHU in Vallendar bei Koblenz Management studiert. Und dann in die Gastronomie! Er muss lächeln bei diesem absurden Gedanken. Unter den ehemaligen WHU-Studenten gibt es ziemlich sicher mehr Vorstandsmitglieder als Gastronomen.
Der Mitherausgeber dieser Zeitung, der um die Jahrtausendwende Hellmuth Karasek war, saß damals fast täglich an seinem Tisch – Rotwein im Glas, alle Gäste im Blick, violette Tinte im Füller. Mit der schrieb er seine Texte, die dann später in der Redaktion in der Potsdamer Straße seine Sekretärin abtippen musste.Johannes Koch sagt, sie waren hier immer stolz auf ihre Mischung: linksradikaler Student, rechtskonservativer Politiker.
Beliebt war es seit den 80ern in „der Szene“, von der sie selbst ja Teil waren: Walter Bachauer, Uschis Mann mit seinen Avantgarde-Musikern. Und Gerhard Walter, der mit seinem Aikido und Zen zu einem festen Ensemblemitglied der Schaubühne geworden war, brachte Schauspielern natürliche Bewegungen bei.
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