Virologe Streeck empfiehlt, untaugliche Maßnahmen zu verwerfen. Kollegin Brinkmann fürchtet neuen Virustyp. Ärztechef Reinhardt rät von Impfpflicht ab.
Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland ist so hoch wie nie, der Zeitpunkt günstig, „besonnen Maßnahmen zurückzufahren“. Diesen scheinbar paradoxen Zusammenhang hat Hendrik Streeck am Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestages hergestellt und den Widerspruch so aufgelöst: „Die Krankheitsbewegungen haben sich von den Infektionszahlen abgekoppelt.“ Es gibt viele Ansteckungen mit Corona, aber wenige Corona-Patienten.
Der Bonner Virologe war einer der Experten, die zur neuen Auflage des Infektionsschutzgesetzes angehört wurden. Das Plenum debattiert darüber am Mittwoch. Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann bringen den Entwurf ein. Er sieht vor, dass die bisher tiefgreifenden Maßnahmen, die am 20. März auslaufen, durch einen Basisschutz abgelöst werden. Der Entwurf stößt nicht durchgängig auf die Zustimmung der Fachleute.
Streeck empfiehlt, „sich von den Maßnahmen zu trennen, von denen man nicht weiß, ob sie zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen“. Die 3G-Regel zählt der Professor dazu, nach der nur Geimpfte, Genesene und Getestete Zutritt zu bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens haben. Auch ein positiver Effekt von 2G, sagt Streeck, sei wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Dass dies dem Infektionsgeschehen angepasst geschehen soll, darin stimmt die Virologin mit ihren Kollegen überein. Die sogenannte Hotspot-Regelung im Gesetzentwurf trifft auf breite Zustimmung. Allerdings fordert Brinkmann: „Es muss gleiche Regeln bei gleicher Infektionslage geben. Nicht, dass jeder Landrat eine eigene Regelung schafft.“Klaus Reinhardt argumentiert ähnlich.
Anders verhielte es sich mit den Impfungen, sagt der Ärztekammerchef. „Da müssen wir zwar feststellen, dass die Impfung vor schweren Krankheitsverläufen schützt und insofern hilft, Kliniken und andere Strukturen des Gesundheitswesens zu entlasten.“ Doch die Zahl der Impfdurchbrüche sei hoch. „Vor dem Hintergrund finde ich die aktuelle Debatte zur Impfpflicht schwierig“, so Reinhardt.